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MAGUS-PREISFRAGE 2010/11
"Ohne Wort, keine Vernunft – keine Welt". Unter diesem Diktum Johann Georg Hamanns haben die 1. Magus Tage Münster 2010 aus unterschiedlichen Perspektiven nach dem Zusammenhang von Sprache, Denken und Wahrnehmung gefragt. Die 1. Magus-Preisfrage fokussiert dieses Thema auf die Poesie. "Poesie ist die Muttersprache des menschlichen Geschlechts", behauptet Johann Georg Hamann in seiner "Aesthetica in nuce" (JGH: Sokratische Denkwürdigkeiten/Aesthetica in nuce. Reclam 1986, Bd. 926). Dem Dichter schreibt der "Magus in Norden" 1762 in seiner "Rhapsodie in kabbalistischer Prose" einen besonderen Wahrnehmungs- und Erkenntnismodus und der poetischen Sprache eine herausgehobene Funktion dabei zu, die "ausgestorbene Sprache der Natur von den Toten wieder aufzuwecken". Auch heute unterscheidet sich poetische Sprache sowohl von der gewöhnlichen Sprache des Alltags als auch von den Fachsprachen der Natur- und Geisteswissenschaften und der Technik. Angenommen, jeder dieser Sprachtypen repräsentiert und ermöglicht eine je spezifische Weise des Denkens und der Wahrnehmung der Welt –: was und wie erkennt die poetische Sprache ander(e)s als jene Sprachen, in denen wir uns im Alltag und in den Wissenschaften mit der Welt, uns selbst und anderen verständigen, in denen wir unsere gewöhnlichen bzw. experimentell oder systematisch gesteuerten Erfahrungen machen, erfassen, kommunizieren? Wenn verschiedenen Sprachformen je besondere Formen des Denkens und Wahrnehmens zugehören, wie bestimmt sich poetische Vernunft, das Denken und Wahrnehmen der Poesie? Inwiefern kann eine poetische Sprache Instrument und/oder Medium eines Denkens und Fühlens, einer Erkenntnis- und Erfahrungsform sein, die ohne sie weder möglich noch kommunizierbar wäre, und wie wäre eine genuin poetische Denkweise – auch im Unterschied zu anderen Formen ästhetischer Erfahrung – zu charakterisieren? Gesucht werden Texte Teilnahmebedingungen Preis Bewerbung Bitte schicken Sie Ihre Bewerbung in einem frankierten und mit dem Stichwort „Magus-Preisfrage“ versehenen Umschlag an: GWK Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Einsendeschluss: 26. Juli 2011 (Poststempel) Projektträger Bei Fragen wenden Sie sich bitte an Dr. Susanne Schulte:
Hamann und die Preisfrage So bezieht sich sein „Versuch über eine akademische Frage“ (1760) auf den von der Berliner Akademie der Wissenschaften ausgezeichneten Traktat von Johann David Michaelis über den Einfluss der Sprache auf die Meinungen und der Meinungen auf die Sprache. Mit seinen Herder-Schriften – den „Zwo Recensionen nebst einer Beylage, betreffend den Ursprung der Sprache“ und „Des Ritters von Rosencreuz letzte[r] Willensmeynung über den göttlichen und menschlichen Ursprung der Sprache“ (1772) – "rächt" Hamann als selbsternannter "kabbalistischer Philologe" Herders Ablehnung der "höheren Hypothese" vom göttlichen Ursprung der Sprache mit einer unkonventionellen theologisch-philosophischen These. In seiner „Abhandlung über den Ursprung der Sprache“ hatte Herder die Entstehung der Sprache allein aus der „Besonnenheit“ des Menschen und seiner Wahrnehmung des Blökens des Schafes erklärt. Zuvor hatte die Königliche Akademie der Wissenschaften 1769 nach der Möglichkeit eines natürlichen Ursprungs der menschlichen Sprache gefragt und Herders positive Antwort dann ausgezeichnet. Mit seinem berühmten Brief schließlich vom 18. Dezember 1784 an Christian Jacob Kraus, Professor für praktische Philosophie und Staatswissenschaft in Königsberg, Kollege, Schüler und enger Vertrauter Kants, stellt Hamann Kants "Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?", 1783 von der Preußischen Akademie als Preisfrage ausgeschrieben, als sublimen und paradoxen Versuch der Bevormundung des Publikums dar. "Der Reichthum aller menschlichen Erkenntnis beruhet
auf dem Wortwechsel" hat Hamann in seinen "Vermischten Anmerkungen
über die Wortfügung in der französischen Sprache" bemerkt. Mit
der Magus-Preisfrage wird nicht der Anspruch verbunden, die aufgeklärte
Tradition der akademischen Preisfrage fortzusetzen. Doch Wortwechsel
zu existenziellen Fragen der menschlichen Existenz, die über den kleinen
Kreis der Fachleute hinaus in die Öffentlichkeit hineinwirken, lassen
sich mit der Magus-Preisfrage möglicherweise initiieren. Wir erwarten
keine endgültigen Antworten, schon gar nicht die eine, einzig(e,) gültige
Antwort. Das wär’ auch nicht im Geist Hamanns gefragt. Als Christ, im
„sokratisch“-protestantischen Bewusstsein, Sünder und von wahrer Erkenntnis,
wirklichem Wissen und der Sprache Adams im Paradies abgeschnitten zu
sein, lehnte er jede sich absolut setzende Position, jedes vereinheitlichende
Wissen oder ein universelles, "katholisches" System ab (in
seinem evangelischen Glauben allerdings war er unerschütterlich…). Ihn
durchdrang die Überzeugung, grundlegende Gegensätze in der Welt ließen
sich nicht dialogisch-dialektisch und im Konsens vermitteln. Als Autor
provozierte der Magus selber in wechselnden Masken. In einem Stil, der
noch heute zum Skandalon taugt. Wir erhoffen einen "Wortwechsel",
der Widerspruch herausfordert und aushält, Widersprüche, Unsicherheiten,
Unlösbarkeiten und Nichtwissen deutlich macht, der nichts glättet und
kittet. Wir wünschen uns einen "Wortwechsel", der Widerspruch
ist, der, wo Vermittlung scheitert, den Widerspruch stehn lässt als
Frage, die ihrerseits wieder Antworten als Fragen, GegenSätze, WiderSpruch
fordert. |
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